Fachvorträge, Einführungen und Fortbildungen aus zahlreichen Wissenschafts- und Lebensbereichen, Bibliothek und Kultur-Archiv wertvollen Menschheitswissens

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"Emotionale Erinnerungen sind für immer." So schrieb im Jahre 1994 Bessel van der Kolk. Und Gerhard Roth postulierte im Jahr 2015 "Die Amygdala vergisst nicht." Beide sind wirkliche Experten auf ihrem Gebiet. Und doch stimmen ihre Aussagen in dieser Absolutheit nicht. Wie kamen sie zu ihrer Einschätzung?
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert wurden in der Erinnerungsforschung vor allem die Mechanismen der Expositionstherapie untersucht. In dieser und auch in ihrem experimentellen Korrelat, der Extinktion des pawlow'schen Konditionierens, wird eine Angst auslösende Situation so lange ausgehalten, bis wir uns an sie gewöhnt haben. Neuronal bedeutet dies, dass zu einer bestehenden Angsterinnerung in der Amygdala eine neue Lernerfahrung aufgebaut wird, die von nun an mit dieser konkurriert. Bei Stress oder in einem neuen Umfeld kann die Angst jedoch wieder kommen. Dies wurde so oft in Laboren und im echten Leben beobachtet, dass irgendwann die kollektive Überzeugung entstand, dass emotionale Erinnerungen unveränderbar seien.
Dabei gab es schon immer Labore, die zu ganz anderen Ergebnissen kamen: Wenn emotionale Erinnerungen unter bestimmten Rahmenbedingungen aktiviert werden, können sie sich verändern. Dabei ändert sich nicht die biographische Erinnerung, sondern allein die emotionale Reaktion. Wir erinnern uns also weiter an das Geschehen, aber reagieren nicht mehr so, als ob die Vergangenheit Gegenwart wäre. Ein Update findet statt.
In den letzten 30 Jahren wurde dieses Phänomen, das ich Erinnerungsupdate nennen möchte, intensiv erforscht, wobei ganz unterschiedliche Studien ähnlich charakteristische Ergebnisse erzielten: ein plötzliches Abklingen teils langjähriger physiologischer und psychologischer Symptome, das auch bei Stress und in neuer Umgebung bestehen blieb.
In den ersten fMRTStudien konnte die Erinnerungsspur in der Amygdala auch nach bis zu 18 Monaten nicht aktiviert werden. Es ist noch nicht klar, ob diese Erinnerungen verändert oder gar gelöscht werden, oder ob sie so abgespeichert werden, dass sie durch die alten Trigger nicht mehr aktiviert werden können. Fest steht jedoch, dass das Erinnerungsupdate direkt an dieser Erinnerungsspur ansetzt.
Die Ergebnisse sind aus zwei Gründen relevant für die Traumatherapie: zum einen ähneln das Sitzungsprotokoll und die Ergebnisse frappierend den Prozessen und Ergebnissen körperorientierter Therapieverfahren wie PEP, EMDR und der Triade.
Zum anderen verspricht der Prozess des Erinnerungsupdates eine bessere Wirksamkeit bei der PTBS, als Expositions- und Konfrontationstherapien. Denn diese sind auf die Aktivität eines Gehirnareals (des vmPFC) angewiesen, welcher bei großem Stress deaktiviert wird. Denn es reagiert hochsensibel auf Noradrenalin, welches bei fast allen Formen von PTBS vermehrt exprimiert wird. Dies stellt ein wirkliches Dilemma dar, weil die Patienten sich dann als Therapieversager erleben.
Erste neurowissenschaftliche Erkenntnisse geben Hinweise, dass sowohl das Erinnerungsupdate als auch bifokale Techniken ohne eine Aktivierung des vmPFC auskommen.
Im Vortrag werden die grundlegenden Prinzipien des Erinnerungsupdates erklärt und es wird darauf eingegangen, wie und warum wir dieses Wissen in der Traumatherapie, besonders auch körperorientierten Therapieverfahren, einsetzen können.
Vortrag im Rahmen des Traumacrossover-Kongresses "Alles Trauma oder was?" vom 07. bis 09. Juli 2022 in Konstanz, ca. 35 Min. auf 1 CD oder 1 DVD oder als Sofortdownload (36 MB audio, 2,7 GB Video).
Vortrag aus dem Jahr 2022, aufgenommen in Konstanz
Sprache: Deutsch
Verfügbar in folgenden Formaten:
Download: Video Download: Audio CD DVD
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